App-Atlas für das deutsche Handwerk
Digitalisierung des Handwerks
Frau Prof. Dr. Sonja Salmen – Lehrgebiet Social Media Management sowie Leiterin des Forschungslab „Community Management & Social Intelligence“ an der Hochschule Heilbronn, hat in Kooperation mit Herrn Eray Özmü Geschäftsführer der econsor mobile sowie der Handwerkskammer Stuttgart, die Potenziale der Digitalisierung des Handwerks im Rahmen eines iterativen zweijährigen Forschungsprozesses untersucht.
Social Media Balloon Team:
Frau Prof. Dr. Salmen wie gestaltete sich der Forschungsprozess?
Im Forschungslab „Community Management & Social Intelligence“ haben wir im ersten Schritt die generellen Potenziale der Digitalisierung von Geschäftsprozessen im Business-to-Business Sektor analysiert. Aufgrund der sehr heterogenen Prozesslandschaft wurde eine Fokussierung auf eine Branche als zielführend erachtet.
Da ich selbst Tochter eines Handwerksmeisters bin, kann ich die Notwendigkeit einer zeitnahen Digitalisierung der Gewerke gut einschätzen und wählte die Digitalisierung des Handwerks aus.
Zielsetzung des Projektes ist es, Handwerkern aller Gewerke Ideen sowie konkrete Handlungsempfehlungen für eine zeitnahe, kostengünstige sowie effektive und effiziente Digitalisierung Ihrer bestehenden Geschäftsprozesse aufzuzeigen.
Konkret geht es darum, Apps zu identifizieren, die eine effiziente Digitalisierung der Prozesse im Bereich Abrechnung, Auftragsbeschaffung, -durchführung, Fahrtenplanung, Unternehmenskommunikation sowie Verwaltung und Zeiterfassung ermöglichten. Somit lassen sich gezielt Ineffizienzen und Verschwendungen in den Geschäftsprozessen vermeiden, Effizienz steigern, Zeit und Geld sparen. Ein schöner Nebeneffekt ist, dass Kunden, Mitarbeiter der Generation Y (Geburtsjahrgänge 1980 bis 1995) sowie Z (Geburtsjahrgänge nach 1995) convenience orientierte digitale Handwerksleistungen sowie Serviceangebote erwarten und mit Loyalität, Begeisterung sowie Empfehlung im Social Web danken.
Social Media Balloon Team:
Was hat man sich unter „praxistauglichen“ Apps vorzustellen?
Herr Norbert Durst:
In die erste Version des „App-Atlas für das deutsche Handwerk“ wurden 30 Apps aufgenommen, die den wesentlichen Auswahlkriterien aus wissenschaftlicher Sicht genügten. Im nächsten Schritt sollen die Betriebe selbst die Apps auf ihre Alltagstauglichkeit testen. Jeder Nutzer, der sich den App-Atlas installiert, kann dabei an der Optimierung bestehender Anwendungen und der Gestaltung neuer Apps mitwirken: die eigenen Erfahrungen und Verbesserungsvorschläge können direkt gepostet werden.
So wird jeder Handwerker zum digitalen Designer seiner eigenen Wertschöpfungskette und zum Innovator seiner eigenen Dienstleistungen und Produkte.
Der App-Atlas bietet qualifizierte Orientierung im verwirrenden zeitraubenden „App- Jungle“. Interesse an diesem Atlas haben z. B. andere Handwerkskammern in Baden-Württemberg, der Bundesverband Deutscher Steinmetze und die Handwerkspresse.
Der App-Atlas soll sich in der nächsten Auflage stärker an der Gewerkestruktur im Handwerk orientieren und einem erweiterten derzeit in der Entwicklung befindlichen Zertifizierungsverfahren unterzogen werden. Um dies zu realisieren, müssen wir Fördermittel in Anspruch nehmen.

Social Media Ballon Team:
Welchen konkreten Nutzen bietet der App-Atlas dem Handwerker?
Eray Özmü:
Die ausgewählten Apps stellen eine „Blumenstrauß an Ideen“ da, wie man einen zeitnahen kostengünstigen Start in die Digitalisierung des Handwerks wagen kann. Großes Potenzial bietet der Einsatz von Apps für Smartphones und Tablets: Mit ihnen lassen sich wertvolle Zeit und Kosten sparen. Die vorgestellten Apps sind für iPhone und für Android-Geräte verfügbar.
Mit kleinen Schritten kann der Betrieb dort verbessert werden, wo der Schuh gerade drückt. Sei es in der Zeiterfassung, der Auftragsabwicklung, oder in der Akquise von neuen Kunden. Zum Beispiel kann der Meister morgens, schnell Fragen wie, „Wo sind die meine Gesellen gerade?“, „Wie lange sind diese bereits beim Kunden Vorort?“, „Wie gestaltet sich die Rechnungsstellung?“, „Wie weit sind wir im Plan?“, „Müssen wir nachkalkulieren?“ beantwortet bekommen. Aus Sicht des Kunden kann es sehr nutzenstiftend sein, wenn dieser zeitnah weiß, wann der Handwerker eintrifft, die Rechnungsstellung direkt Vorort transparent und nachvollziehbar wird. Dies stelle eine echte Chance dar, aus zufriedenen, begeisterte Kunden werden zulassen, die gerne eine Empfehlung aussprechen bzw. „Like“ auf Facebook posten.
Auf den Punkt gebracht, der „App-Atlas“ für Handwerker zeigt kostenlos auf, wie Sie Ihre Geschäftsprozesse schnell und kostengünstig digitalisieren können.
Geschätzt bringt der Einsatz von der App „TopZeiterfassung“ von bluesolution für die Bienek GmbH eine Zeiteinsparung von mehr als 30 Prozent. Auch bei HAKO GbR ist die Zeitersparnis ausschlaggebend – die HAKO GbR spricht von fast 50 Prozent Zeitersparnis, weil beispielsweise Rechnungen mit nur einem Knopfdruck erstellt werden können.
Das macht Lust auf mehr!
Quelle: Handy Video aufgenommen während der Veranstaltung „Virtuelles Werkzeug für realen Erfolg“ der Handwerkskammer Region Stuttgart am 28.04.2016 – Vortrag „Der App-Atlas für das deutsche Handwerk“ Referenten Prof. Dr. Sonja Salmen, Hochschule Heilbronn, Eray Özmü Geschäftsführer der econsor mobile.
Social Media Balloon Team:
Stillstand ist Rückstand, wie sieht es da mit der Weiterentwicklung des App-Atlas aus?
Prof. Dr. Sonja Salmen:
Diese kleinen digitalen Helfer, gilt es auf ihre „Alterstauglichkeit“ vor Ort, d.h. in den Handwerksbetrieben zu testen.
Dabei setzten wir auf eine kontinuierliche quantitative sowie qualitative Ausweitung des App-Atlas durch die Expertise der Praktiker. Es wird in der App zeitnah ein quantitative sowie qualitative Beurteilungstools für Handwerker von Handwerkern geben. Wir freuen uns auch auf Praxisberichte, die wir in der Rubrik „Fallbeispiele“ publizieren. Das geballte Erfahrungswissen soll helfen Hindernisse, Einwände sowie Gefahren rechtzeitig zu erkennen und geeignete Lösungen zu finden. By the way wird digitale Kompetenz erworben und weitergeben.
Social Media Balloon:
Welche weiteren Herausforderungen sehen Sie im Zuge der Digitalisierung des Handwerks?
Prof. Dr. Sonja Salmen:
Gerade jetzt im Zeitalter des „Internet of everything“ ist es wichtig, von den sogenannten digitalen Meistern wie Amazon, Google, Spotify, Apple, Shazam, Smart Homes usw. zu lernen. Nur so können aus unseren „Hidden“ zügig „Digitale“ Champions werden.
Die Digitalisierung des Handwerks eröffnet ungeahnte Potenziale, um sich mit innovativen digitalen Geschäftsmodellen erfolgreich zu transformieren. Automatisierte Kernprozesse, skalierbare und effiziente IT-Prozesse sowie flexible Arbeitsmodelle machen aus klassischen Betrieben elastische. Digitale Master, wie Amazon.com, Apple oder Google, setzten außerdem auf die Vernetzung des Wissens (z. B. mit Think Tanks), auf Wertschöpfungsketten (Smart Prozesse) und ‚Prosumenten“.
Um die Poleposition in der Liga „Digital Champion“ einzunehmen, gilt für Handwerker gezielt ihre Kernkompetenz in neuartige Geschäftsfeldern wie Beispielsweise Smart Home, Living, Car, Energy in branchenübergreifenden digitalen Unternehmensnetzwerken einzubringen. Übrigens ein eleganter Weg dem Preisdumping von Mitbewerbern zu entgehen.
Jeder Handwerker ist seines „Glückes Schmied“! Damit dies auch erfolgreich gelingt, sind Managementfähigkeiten wie Network Leadership, Open Innovation, sowie Design Thinking, kollaborative Lern- und Kommunikationsfähigkeiten in digitalen Think Tanks gefahrlos zu erfahren.
Es bietet sich also an, rund um den App-Atlas eine digitale Community zu einem aktiven Erfahrungsaustausch zwischen Handwerkern, Institutionen, Kammern, Kompetenszentren sowie externen Forschungseinrichtungen und Hochschulen aufzubauen. Dieser Think Tank wird den Akteuren helfen ihre Talente neu zu entdecken, Inspirationen zu schöpfen und kreative neuartige Lösungswege im Dialog zu entwickeln. Sicherlich bedarf es eines sehr heterogenen Weiterbildungsangebotes wie Beispielsweise Schulungen zum effizienten und effektiven Einsatz von Apps bis hinzu zu Trainings für den Ausbau und die Pflege digitaler Netzwerke, zur Motivation von Knowledge Managern in digitalen Unternehmensnetzwerken.
Wir befinden uns in einer historisch bedeutsamen Epoche, in der es unser aller Aufgabe ist, neue Spielregeln des digitalen Miteinanders zu entdecken und zu erproben.
Lassen Sie uns jetzt beginnen, Erfahrungen zu schöpfen.