User Experience vs. Usability – Was ist der Unterschied?
User Experience = Usability + X?
Die Digitalisierung schafft immer neuere und innovativere Produkte und Services, welche nur dann erfolgreich sein können, wenn sie eine gute Usability vorweisen können. Eines der bekanntesten Buzzwords der letzten Jahre ist User Experience oder kurz UX. User Experience hat Usability praktisch abgelöst. Wirft man einen Blick in die Lehr- und Fachbücher, werden Usability und UX nicht selten synonym verwendet. Bei solch einem oberflächlichen Verständnis fällt es schwer, die beiden Begriffe voneinander abzugrenzen. Ist User Experience etwa Usability plus X? Und wenn ja, was ist dieses X?
Eine Norm, aber zwei Definitionen
Die Begriffe Usability und User Experience sind genormt und finden sich beide in der DIN EN ISO 9241 wieder. Die Norm beschreibt Usability als das „Ausmaß, in dem ein Produkt durch bestimmte Benutzer in einem bestimmten Nutzungskontext genutzt werden kann, um bestimmte Ziele effektiv, effizient und zufriedenstellend zu erreichen.“ Usability meint also, wie benutzerfreundlich oder gebrauchstauglich ein Produkt oder Service in einem bestimmten Kontext für bestimmte Nutzergruppen ist.
Der Begriff User Experience umfasst laut Norm alle Erwartungen, Wahrnehmungen und Reaktionen des Nutzers, die er vor, während und nach der eigentlichen Nutzung „erlebt“. Diese Definition ist zugegeben sehr breit. Wichtig dabei sind die subjektiven Wahrnehmungen der Nutzer sowie der Verlauf der Nutzung. Denn Nutzer gehen mit Erwartungen an ein Produkt heran, haben während der Nutzung Erlebnisse und verarbeiten diese nach der Nutzung. Das prägt wiederum die Erwartungen selbst. Die Norm greift zwar die subjektive und sogar die emotionale Seite der Nutzung auf. Dennoch spielt auch die Usability bei dieser Definition von User Experience eine wichtige Rolle. Heißt das also, User Experience ist tatsächlich Usability + X und das X sind in diesem Fall die subjektiven Anteile der Usability?

Nutzerfreundlichkeit und Nutzererlebnis
Marc Hassenzahl von der Folkwang Universität der Künste fokussiert bei seiner Definition von User Experience die Emotionalität. Genauer gesagt die positiven und negativen Gefühle während der Nutzung eines Produktes oder Services. So definiert er unter anderem, wann Produkte emotional positiv erlebt werden. Dies ist dann der Fall, wenn bei der Nutzung psychologische Bedürfnisse des Menschen erfüllt werden. Damit schuf er ein ganz neues Verständnis für die Gestaltung von Produkten.
Menschen haben ähnliche psychologische Bedürfnisse, sie sind nur individuell unterschiedlich ausgeprägt. Speziell für die Nutzung von Technologie nennt Hassenzahl sechs Bedürfnisse: Autonomie, Kompetenz, Verbundenheit, Popularität, Stimulation und Sicherheit. Stimulation zielt beispielsweise darauf ab, Neues kennen zu lernen. Das Bedürfnis nach Kompetenz dagegen ist erfüllt, wenn sich ein Mensch als fähig und wirksam erlebt. Soziale Netzwerke sind zum Beispiel so erfolgreich, weil sie das Bedürfnis nach Verbundenheit und Popularität erfüllen.
Dadurch schuf Marc Hassenzahl einen neuen Ansatz zur Gestaltung von interaktiven Produkten: Bei Usability geht es darum, durch eine benutzerzentrierte Gestaltung Probleme bei der Nutzung und dadurch hervorgerufene negative Gefühle, wie Frustration und Ärger, zu vermeiden. Experience Design dagegen hat das Ziel, systematisch positive Nutzungserlebnisse zu schaffen – durch die Erfüllung psychologischer Bedürfnisse.
Unvergessliche Nutzererlebnisse
Ansprache und Individualität
Auch wenn man meinen könnte, dass zu einer guten User Experience vor allem das Verhalten der Elemente auf der Website und die Gestaltung die größte Rolle spielt, hat die Tonalität und die Ansprache des Nutzers einen wesentlichen Einfluss. Hier schlummert noch jede Menge Potenzial, um sich von der Konkurrenz abzuheben, da meist noch typische und eher langweilige Phrasen dominieren. Hier gilt es, den Nutzer individuell anzusprechen und Inhalte auf ihn abzustimmen.
Ein Paradebeispiel, wie man auch in einer eher heiklen Situation mit einer passenden Ansprache ein unvergessliches (und dazu noch virales) Nutzererlebnis schaffen kann, zeigt ein Ausschnitt aus dem Support-Chat von Netflix. Ein Nutzer meldet sich beim Support mit einem Problem. Der Support nimmt sich sofort des Problems an und versucht weiterzuhelfen. Dabei formuliert der Support allerdings seine Fragen und Antworten so, als ob er ein Captain des Star Trek Universums des Raumschiffs „Netflix“ wäre. Der Kunde steigt darauf ein und die negative Erfahrung mit Netflix (Problem beim Schauen einer Serie) wird in eine unvergesslich positive Erfahrung umgemünzt.
Liebevolle Details und eine Portion Spaß
Häufig sind es gar nicht die großen Dinge, die den Unterschied bei einer guten User Experience ausmachen, sondern kleine Details, die dem Nutzer zeigen, dass sich hier jemand ernsthaft Gedanken gemacht hat und viel Leidenschaft in sein Produkt steckt. Das gibt dem Nutzer ein Gefühl von Sicherheit. So könnte man beispielsweise individuell gestaltete Icons verwenden oder Elemente einbauen, welche dem Nutzer ein Lächeln in sein Gesicht zaubern.

Fazit
User Experience ist somit viel mehr als „Usability + X“. Es steht nicht im Vordergrund, wie ein etwas gestaltet sein muss, damit ein Nutzer eine Aufgabe effektiv und effizient erfüllen kann. Vielmehr geht es darum, wie die Beteiligten möglichst positive oder sogar persönlich bedeutsame Erlebnisse erfahren.
Experience Design zielt darauf ab, diese Erlebnisse systematisch herbeizuführen, indem die Erfüllung psychologischer Bedürfnisse des Menschen explizit in die Gestaltung miteinbezogen wird. Für diesen Ansatz reichen die klassischen Usability-Methoden nicht aus. Es bedarf grundsätzlich einer neuen Herangehensweise und einer Portion Kreativität, um seinen Kunden ein gelungenes Erlebnis zu ermöglichen.